Es war einmal…: ATP-Tennis in Meran

Die etwas Älteren unter uns werden sich erinnern: in Südtirol, genauer gesagt in Meran, konnte man einst ATP-Tennis bestaunen – leider wurde daraus nur eine einmalige Angelegenheit im Jahre 1999. Das Ganze ist also nun fast 25 Jahre her. Die Plopp-Redaktion hat sich deshalb aufgemacht, für einige Minuten die Zeit zurückzudrehen und in den Archiven zu “strialen”, um einen genaueren Blick auf die Merano Open vor der Jahrtausendwende werfen zu können. Unter der Oberfläche lauern dabei mehrere bemerkenswerte Storylines.

Trägt immer noch den Glanz alter Tage: der Centrale von Meran, für viele der schönste Court in ganz Südtirol | (c) MeranArena

Von 1991 bis 1998 – mit der einzigen Ausnahme des “Sabbat-Jahres” 1993 – konnte man das Turnier in der Kurstadt für sieben Editionen lang noch auf der Challenger-Tour finden, wo sich einige heute bekannte Namen bis ins Endspiel vorspielen sollten: 1994 etwa setzte sich Fabrice Santoro aus Frankreich gegen den Chilenen Sergio Cortes mit 6:3, 6:4 durch – der von vielen auch als “Tennis-Magier” bezeichnete Franzose sollte später ein Best Ranking von 17 im Einzel (2001) sowie von 6 im Doppel (1999) erreichen, eine Tour-Bilanz von 470 Siegen zu 444 Niederlagen aufweisen sowie sechs Einzel- und 24 Doppel-Titel ergattern, darunter die Australian Open 2003 & 2004 (an der Seite von Michaël Llodra im Doppel) wie auch die French Open 2005 (mit Daniela Hantuchova im Mixed).

1995 unterlag der Marrokaner Younes El Aynaoui beim Challenger von Meran im Endspiel (3:6, 6:3, 3:6 v Mikael Tillström) – er sollte später die Nummer 14 der Welt werden (2003), fünf Einzel-Trophäen holen und 265 Erfolge auf der Tour feiern. 2003 scheiterte El Aynaoui am US-Amerikaner Andy Roddick im Viertelfinale der Australian Open nach über fünf Stunden Spielzeit mit 19:21 im fünften Satz. Vincenzo Santopadre, der langjährige Coach von Matteo Berrettini, musste sich 1997 ebenso im Meran-Finale geschlagen geben (1:6, 4:6 v Lukas Arnold Ker), wie auch Christian Ruud, der Vater von Casper, ein Jahr später (6:7, 6:7 v Sláva Dosedêl).

Verzauberte zu Challenger-Zeiten auch das Meraner Publikum: Le Magnifique Fabrice Santoro | (c) Tennis Majors

1999 wagten die Organisatoren dann den – einmaligen – Sprung hin auf die Profi-Tour: die Merano Open wurden Teil der ATP World Series, dem Äquivalent und Vorgänger der heutigen ATP 250-Turniere, waren mit 350.000 US-Dollar dotiert und gingen vom 7. bis 13. Juni 1999 auf den heimischen Sandplätzen über die Bühne. Nicht unbedingt der idealste Zeitpunkt, waren die French-Open doch bereits Geschichte und die beiden prestigeträchtigen Rasen-Vorbereitungsturniere von Halle und Queen’s (London) auf dem Weg nach Wimbledon zeitgleich im Tour-Kalender zu finden.

Trotzdem konnte sich das damalige Feld in der Kurstadt durchaus sehen lassen: als Nummer 1 der Setzliste wurde der Slovake Dominik Hrbaty geführt – er war zu jenem Zeitpunkt die #18 der Welt und sollte fünf Jahre später mit einem Best Ranking von 12 (2004) sowie 359 Match Wins im Einzel an den Top 10 kratzen. Darüber hinaus holte er insgesamt sechs Einzeltitel. Während sich Hrbaty früh im Turnier – u.a. in Runde 1 gegen den Spanier mit dem extremsten Vorhandgriff aller Zeiten, Alberto Berasategui (Best Ranking #7, 14 Titel), oder aber auch in R2 gegen den Österreicher Stefan Koubek (der sich damals auf dem Weg in die Top 20 befand) – keine Blöße geben sollte, musste er sich im Halbfinale dem an Nummer 3 gesetzten Marokkaner Hicham Arazi (in Meran #37, Best Ranking #22) mit 4:6, 6:7(3) beugen.

Spielte sich als Nummer 1 des Turniers in Meran bis ins Halbfinale: der Slovake Dominik Hrbaty | (c) AgrigentoOggi

Die Nordafrikaner verbuchten allgemein um die Jahrtausendwende ihre Blütezeit im Herren-Tennis, neben Arazi waren auch noch Karim Alami (#5, Rang 73) und Younes El Aynaoui (#2, Rang 35), bei seiner Rückkehr in die Kurstadt, unter den Top 5 der Setzliste in Meran sowie weit innerhalb der Top 100 der Rankings zu finden.

Auch Christian Ruud und Vincenzo Santopadre schlugen beim kurzweiligen, nur ein Jahr andauernden, Auftritt Merans auf der Profi-Tour erneut ihre Zelte in Südtirol auf, mussten sich allerdings bereits früh geschlagen geben. Letzterer war dabei einer von sechs Azzurri im Draw, neben dem Südtiroler Talent Florian Allgäuer (mit einer Wild Card ausgestattet), Renzo Furlan, Davide Sanguinetti, Marzio Martelli und Andrea Gaudenzi.

Legte als Wild Card einen absoluten Traumlauf auf die rote Asche der Kurstadt: Andrea Gaudenzi | (c) FITP

Gaudenzi sollte dabei aber mal so richtig Feuer fangen und sich – als Wild Card – bis ins Halbfinale spielen, wo er sich dem späteren Sieger Fernando Vicente erst nach großem Kampf und drei Sätzen mit 5:7, 6:3, 4:6 geschlagen geben musste. Na, klingelt’s? Richtig, genau der Fernando Vicente – der heutige Coach von Andrey Rublev. Der Spanier vollbrachte später im Endspiel gegen Arazi dabei ein absolutes Husarenstück, wehrte drei Championship Points seines Gegenübers ab und holte sich durch ein 6:2, 3:6, 7:6(1) über den Marokkaner seinen allerersten ATP-Titel. Vicente kürte sich also zum bis dato einzigen Meran-Champ auf Tour-Ebene und ist in seiner Kapazität als Titelverteidiger bis heute ungeschlagen (hehe): das können auch nicht viele von sich behaupten.

25 Jahre lang Titelverteidiger: Der erste und bis dato einzige Meran-Sieger auf Tour-Ebene, Fernando Vicente | (C) Faro de Vigo

Zu guter Letzt noch ein Schmankerl – vielleicht das größte – aus dem Meran-Feld, welches vielleicht auf dem ersten Blick nicht auffällt, einem geschulten Auge aber keineswegs entgehen wird: in der Kurstadt hat nämlich ein zukünftiger Grand Slam-Champion aufgeschlagen. Ein junger, 21-jähriger Gaston Gaudio unterlag in Runde 1 Christian Ruud mit 3:6, 6:3, 1:6 – der Argentinier sollte sich jedoch knapp fünf Jahre später in einem der spektakulärsten Roland Garros-Endspiele aller Zeiten zum French Open-Sieger 2004 küren. Unglaublich!

Man sieht schon: ATP-Tennis in Südtirol – das scheint zum einen möglich und zum anderen in der Lage zu sein, in all seiner One-Hit-Wonder-Pracht, auch noch eine ganze Reihe an Stories zu produzieren. Wäre doch schön, wenn es so was in (absehbarer) Zukunft wieder geben würde. Ein passendes Medien-Team würde nun ja bereitstehen 😉 – liebe Clubs, traut euch, und dann wisst ihr, wo ihr uns findet!

[Zum Stöbern: Das gesamte Meran-Draw aus dem Jahre 1999 gibt es übrigens hier!]

Der Weg zum spektakulären French Open-Titel 2004 von Gaston Gaudio ging in kleinen Stücken auch über Meran | (c) Eurosport

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