In seiner Heimat, dem Fischleintal bei Sexten, wurden für dieses Wochenende eisige -25°C vorhergesagt. Die Kälte scheint dabei bis nach Melbourne zum aktuell berühmtesten Sohn des Pustertals durchgedrungen zu sein, denn Jannik Sinner zeigte sich in einem kniffligen Achtelfinale der Australian Open gegen einen gut aufgelegten Karen Khachanov von seiner besonders coolen Seite und zog eiskalt ins Viertelfinale ein – als einziger Spieler ohne Satzverlust.
In der Anfangsphase überspringen die Nummern 4 und 15 jegliches Abtasten komplett und gehen gleich voll zur Sache: Sinner breakt im zweiten Aufschlagspiel des Russen zu Null – er besiegelt dabei den Aufschlag-Durchbruch mit einem krachenden Vorhandwinner die Linie entlang – Khachanov bekommt postwendend zwei Chancen zum Rebreak, die der Südtiroler mit zwei bärenstarken Services annulliert. In der Folge verwaltet Sinner den Vorsprung mit einer Mischung aus erfahrener Buchhalter und gelernter Entertainer: pragmatisch wie humorlos auf der einen, hochklassig wie spektakulär auf der anderen Seite. Einzig beim Ausservieren hakt es, auch aufgrund der bescheidenden 48% erster Aufschläge im Feld (tutti bravi dal divano, isch ins bewusst): Jannik sieht sich bei 15:40 und Vorteil Khachanov drei Breakchancen gegenüber, bei zwei davon kommt der Russe in die Rally und lässt mit recht leichten Fehlern eher etwas liegen. Jannik sagt danke und holt per Servicewinner den ersten Durchgang mit 6:4.
Die Redaktion wechselt in der Satzpause für einige Minuten zu den finalen Momenten der Partie Fritz versus Tsitsipas und verpasst somit das Sinner-Break zum Auftakt des zweiten Durchgangs: erneut zu null, unter gütiger Mithilfe dreier unerzwungener Fehler des Russen. Ein Geschenk des Hauses. Allerdings weiß Khachanov dieses Mal unverzüglich zurückzuschlagen: in diesem Game zeigt sich Jannik urplötzlich etwas fehleranfälliger – eine Dynamik, die sich durch die folgenden Spiele ziehen sollte: die Nummer 15 des Turniers kommt außerdem stärker auf, der Südtirol sieht sich auch beim Stande von 1:2 und 3:4 mit mehreren Breakchancen seines Kontrahenten konfrontiert. Sinner serviert und spielt sich unter Druck wiederholt gekonnt aus der Affäre, ein paar Mal allerdings geht Karen fast verschwenderisch mit seinen Möglichkeiten um. Somit weiß sich der Sextner, wenn auch fehlerbehaftet, stets an den Russen dranzuhängen. In einem bärenstarken Game beider Spieler bei 5:5 holt sich Khachanov zunächst durch eine krachende Vorhand die Linie entlang, für die er in 89 Ländern einen Waffenschein vorzeigen müsste, nach einer Monster-Rally ein 40:15. Die Fans in der Margaret Court Arena halten einen „Do That Again“-Banner in die Höhe und Sinner lässt sich nicht zweimal bitten: er gibt das Game nicht verloren und packt seinerseits drei Punkte später die Longline-Peitsche aus – Break, 6:5. Wenige Momente nach dem Seitenwechsel steht die 2:0-Satzführung. Schmeichelhaft? Durchaus. Interessieren wird dies Jan the Fox aber herzlich wenig, ganz im Gegensatz zur 100%-Quote bei den verwandelten Breakbällen (3/3). Kalt wie eine Hundeschnauze.
Für Khachanov präsentiert sich somit eine Mammutaufgabe, er holt sich aber über das Publikum erneut Energien, als er mit einem Tweener-Lob-Winner den heißen Anwärter für den Punkt des Turniers auspackt. Sinner erspielt sich trotzdem wiederholt Breakchancen, die der Russe dieses Mal auch abwehren kann – stur hält er sein Service bis zum 3:3. Bei besagtem Stand aber gelingt dem eiskalten Sextner der Aufschlag-Durchbruch, die Gegenwehr der Nummer 15 des Turniers war nun endgültig gebrochen. Jannik stellt auf 5:3 und ist sich dann auch noch zu schade zum Ausservieren – mit einem weiteren Break zum finalen 6:4, 7:5, 6:3 ist die Sonntagmorgen-Messe dann endgültig gelesen. Als einziger verbliebener Spieler im Turnier ohne Satzverlust steht der Südtiroler in der Runde der letzten Acht und wartet auf den Sieger der Partie Rublev v De Minaur.